Selbst ein gerichtlicher Vergleich kann den gesetzlichen Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nicht aushebeln
Das hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem aktuellen Urteil entschieden – und damit klargestellt: Auf den gesetzlichen Mindesturlaub kann im laufenden Arbeitsverhältnis nicht verzichtet werden. Ein entsprechender Versuch ist nichtig und hat keinerlei rechtliche Folgen (BAG, AZ 9 AZR 104/24, Urteil vom 03.06.2025).
Im verhandelten Fall war ein Arbeitnehmer als Betriebsleiter bei seinem Unternehmen angestellt, bis das Arbeitsverhältnis im April 2023 endete. Da er krankheitsbedingt seit Jahresbeginn arbeitsunfähig war, konnte er seinen Urlaub nicht antreten. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs einigte er sich mit seiner Arbeitgeberin auf eine Abfindung von 10.000 Euro. Im Dokument hieß es, die Urlaubsansprüche des Betriebsleiters seien „in natura gewährt“. Dennoch forderte der Arbeitnehmer später die Auszahlung von sieben nicht genommenen Urlaubstagen, also rund 1.600 Euro. Und hatte Erfolg.
Die Richter am Bundesarbeitsgericht stellten klar: Eine Klausel, die den gesetzlichen Mindesturlaub ausschließen oder abgelten will, ist nach § 134 BGB in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) unwirksam. Das gilt selbst dann, wenn ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wird – und auch dann, wenn der Arbeitnehmer wissentlich zustimmt. Der gesetzliche Mindesturlaub dient dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten und steht unter einem besonders strengen Schutz. Ein Verzicht im Vorhinein oder während eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses ist ausgeschlossen.
Ebenso hielten die Richter fest: Auch wenn bereits feststeht, dass der Urlaub krankheitsbedingt nicht mehr genommen werden kann, darf auf eine spätere Abgeltung nicht verzichtet werden. Eine solche Regelung würde gegen EU-Recht verstoßen. Nach Art. 7 Abs. 2 der EU-Arbeitszeitrichtlinie ist eine finanzielle Abgeltung des Urlaubs nur dann zulässig, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist.
Fazit: Wer als Arbeitgeber einen gerichtlichen Vergleich oder Aufhebungsvertrag gestaltet, sollte sorgfältig prüfen, ob eventuell noch bestehende Urlaubsansprüche rechtssicher geregelt sind. Ein „Verzicht“ auf gesetzlichen Mindesturlaub hält vor Gericht nicht stand.
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